27. Oktober 2017

Wenn man genau gar nichts verstanden hat

Am Wahlabend zur Bundestagswahl wurden viele mehr oder minder kluge Reaktionen abgegeben. Eine der beliebtesten wie abgedroschensten war die bekannte Formel: Wir haben verstanden.


Nun, man fragt sich natürlich, was man denn eigentlich verstanden hat. Am lautesten dröhnte der Satz aus der CSU hervor, die verkündete die Obergrenze müsse nun unbedingt kommen, damit die AfD nicht noch mehr Stimmen bekomme. Und sie schaffte das mit einem logischen Novum, an dem noch Erwin Schrödinger seine Freude gehabt hätte: Die Obergrenze die gleichzeitig da ist und auch nicht da ist (je nach Wetterlage und Merkels Laune). Dieses Ergebnis war derart überzeugend, dass die Union (allerdings in der Gestalt der CDU) sechs Tage später ihr schlechtestes Ergebnis in Nidersachsen seit 1959 einfuhr. Manöverkritik seitdem? Nein. Man hat ja verstanden.

Ebenso nach der (Bundestags-)Wahl wurde getönt, man müsse jetzt die AfD entzaubern, mit ihr werde ein ganz rauer Ton in den Bundestags einziehen und jetzt müssten alle Demokraten zusammenstehen. Man müsse der AfD ihren Opferstatus entziehen und sie sich selber demontieren lassen.
Und, um diese Verstandesleistung dann auch gleich zu belegen, begann man die erste, konstituierende Sitzung mit einer schönen Posse, indem man, wie angekündigt, den Vorschlag der AfD für den Posten des Bundestagsvizepräsidenten dreimal ablehnte. Der Kandidat Glaser hatte dem Islam explizit den Religionsstatus abgesprochen und ihn als Ideologie bezeichnet.
Nun, die Posse ist nicht ohne Vorbild (was noch erhebliches Glück für die Parlamentarier ist). Schon 2005 wurde einer Partei die Wahl abgeschlagen, als die SED Lothar Bisky viermal aufstellte. Am Ende blieb der Posten einige Monate unbesetzt, bis die SED klein beigab und mit Petra Pau eine Kandidatin aufstellte, die wohl genehm war.

Das doofe daran ist, dass das der SED seinerzeit durchaus genützt haben dürfte. Genauso wie es diesmal wohl der AfD nutzen wird, die nicht wirklich gut beraten wäre, sich hier von ihrem Kandidaten zu trennen. Sie kann sich vier Jahre lang weiterhin als Opfer darstellen. Alleine jetzt zu hämmern, dass Claudia Roth(!) ohne jedwede Probleme im ersten Wahlgang durchgerutscht ist, während Glaser wegen einer Äußerung zum Islam, die vermutlich von Wählern weit über den Dunstkreis der Afd hinaus, durchaus geteilt wird, abgelehnt wird, wäre für die AfD eine gute Idee.

Wenn die Bundestagsabgeordneten wirklich verstanden hätten, dann würde ihnen aufgehen, dass solche Geschäftsordnungstricks (genauso wie die unwürdige Änderung ("Lex AfD"), um zu verhindern, dass ein AfD Abgeordneter als Alterpräsident die erste Sitzung geleitet hätte) beim Wähler nicht unbedingt gut ankommen. Auch AfD Wähler werden durch den Bundestag repräsentiert. Und wenn dieser Kindergarten meint mit solchen Methoden teita machen zu können, dann wird das die Spaltung der Gesellschaft, die sich recht deutlich bei den letzten Wahlen gezeigt hat, noch einmal deutlich verstärken.

Darauf angesprochen werden natürlich die selben Parlamentarier, die sich solche Nummern ausdenken, natürlich(!) darauf hinweisen, dass das eben die Regeln des Parlamentarismus sind und die AfD eben zu doof ist daran mitzuwirken und sich entsprechend alles selbst zuzuschreiben hat. Ich bin sicher diese Sichtweise ist auch und gerade in liberalen Foren nicht unbedingt selten. "Guckt Euch nur die Deppen von der AfD an, die machen sich total lächerlich!". Mag sein. Das Blöde ist aber auch hieran, dass die Frage, wer sich lächerlich macht, oftmals eine extrem subjektive ist. Als Donald Trump im Wahlkampf seine Sprüche von sich gab, sich in den Duellen schlecht machte, weil die gute Frau Clinton besser vorbereitet schien (kein Wunder, wenn man die Fragen vorher zugespielt bekommt, aber was solls), haben nicht wenige genau so gelacht. Nur sitzt Donald Trump im weissen Haus und nicht Hillary Clinton. Denn nicht wenige fanden die so plumpen Sprüche von Donald Trump eben nicht so lächerlich, die durchprofessionalisierten Clinton Auftritte dagegen schon.
Aber man muss gar nicht nach Amerika gehen. Vor einigen Monaten wurde dem AfD Rechtsaussen Ralph Weber im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern das Rederecht entzogen, weil er mehrfach die Präsidentin als "Frau Präsident" ansprach. Eine vollkommen korrekte Bezeichnung ihres Titels (am Rande sei vermerkt, dass trotz permanenter Wiederholung Frau Merkel die Frau Bundeskanzler ist und nicht die Frau Bundeskanzlerin). Dennoch wurde ihm das Rederecht entzogen und die Wahrscheinlichkeit, dass das im gerichtlichen Nachspiel zugunsten von Weber ausgeht ist fraglich. Alles also im Rahmen von Recht und Geschäftsordnung. Aber wie kommt die Nummer beim Wähler an? Wie kommt das nicht nur bei AfD Wählern an, dass ein Abgeordneter nicht mehr reden darf, weil er auf den korrekten, wenn auch vielleicht als altertümlich empfundenen, Titel besteht? In der Sache ist das eine totale Bauchlandung. Aber nicht für die AfD. 

Wenn solches Geplänkel in den rauen Zeiten, in denen dieses Land sich derzeit befindet, unseren Parlamentariern wichtig erscheint, dann kann man nur dazu kommen, dass da eine breite Mehrheit immernoch nicht den Schuss gehört hat (was erstaunlich ist, denn laut genug war er allemal). Den öffentlich rechtlichen Propaganda Anstalten hat man (zurecht) nach der Wahl den Vorwurf gemacht, dass die permanente Dämonisierung der AfD dieser vor allem genützt hat. Schön zu sehen, dass man daraus so viel gelernt hat. Frauke Petry dürfte sich in den Hintern beissen, denn gemessen an der Kompetenz unseres Parlamentes dürfte die AfD mit Riesenschritten auf ihre ersten Mehrheiten zulaufen. Es hat ein ganzes Parlament das daran arbeitet. Aber vielleicht kann man da auch nicht mehr. Vielleicht ist das das einzige was so mancher Parlamentarier überhaupt noch tun kann.Wenn das einzige was man der AfD wirksam meint entgegenhalten zu können, ein paar billige Parlamentstricks sind, dann steht es wirklich schlecht um die Politik dieses Landes.

Llarian

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